Katja zu Gast in der Landesschau

Arbeiten im Krankenhaus

Missstände

Durch die Corona-Pandemie wird wieder einmal deutlich, welche Missstände ausgerechnet in dem Wirtschaftssektor herrschen, der uns alle persönlich angeht, weil er über unser gesundheitliches Wohl entscheidet. Der Mangel insbesondere an Pflegekräften, aber auch an anderem medizinischen Personal, wurde zwar auch in der Vergangenheit immer wieder thematisiert, bekommt durch die Dringlichkeit seit Beginn der Corona-Pandemie aber deutlich mehr Aufmerksamkeit in Politik und Gesellschaft. Und trotzdem habe ich die Befürchtung, dass in dieser Hinsicht womöglich zu wenig aus der aktuellen Krise gelernt werden könnte. Ja, wenn man auf die Situation in anderen Ländern schaut, kann man wirklich dankbar sein für unsere Anzahl an Intensivbetten und vielleicht auch dafür, wie hier bisher mit der Pandemie umgegangen wurde. Aber was wird bei uns denn z.B. wirklich getan, um den Personalmangel im Gesundheitssektor zu beheben und auch für ausreichend Nachwuchskräfte zu sorgen, damit dieser eine Zukunft hat?

Vielleicht bin ich einfach nicht gut genug informiert und es findet gerade, unbeobachtet von der breiten Öffentlichkeit, eine intensive Suche nach einer langfristigen Lösung für das Problem statt, der dann bald auch konkrete praktische Maßnahmen folgen – das würde ich mir wirklich wünschen. Aber ein oder zwei halbherzige Corona-Prämien, die nicht mal zuverlässig bei denen ankommen, die gerade in der Pandemie Tag für Tag weit über der Belastungsgrenze und unter sehr hohem persönlichem Risiko um das Überleben der Patienten kämpfen, ist für mich eindeutig zu kurz gegriffen. Und selbst wenn sie alle erreichen würde, würde eine einmalige Prämie meiner Meinung nach nicht mal ansatzweise als angemessener Dank für die extremen Anstrengungen des Gesundheits- und Pflegepersonals ausreichen, geschweige denn auch nur an der Oberfläche der grundsätzlichen Probleme des Personalmangels kratzen.

Überlastet

Ein Bericht der ZEIT vom Februar 2018 schildert eindrücklich die Überlastung vieler Pflegekräfte und wie sehr diese unter ihrer aufreibenden Arbeitssituation leiden. Daher wechseln viele Pflegekräfte schon nach kurzer Zeit den Beruf, auch wenn sie eigentlich für die Tätigkeit brennen. Ihnen gefällt es zwar grundsätzlich, als Pflegekraft zu arbeiten, aber unter den vorliegenden Bedingungen können sie sich nicht vorstellen, das bis zur Rente zu tun. Und das war, wohlgemerkt, schon bevor Covid-19 unser Leben umkrempelte.

Der Pflegemangel wird uns auch dann weiterhin beschäftigen, wenn wir hoffentlich irgendwann diese Pandemie hinter uns lassen können. Gerade in der Altenpflege sind die Zustände erschreckend, aber auch in der Kinderkrankenpflege sieht es nicht gerade rosig aus. Ein Bericht des ARD-Magazins Kontraste aus dem Jahr 2019 zeigt, dass Kinder in Notfällen oft kilometerweit transportiert werden müssen, weil die in der Nähe liegenden Krankenhäuser aufgrund des Mangels an Kinderkrankenschwestern und -pflegern keine Intensivbetten für sie zur Verfügung haben. Dafür macht der Bericht unter anderem das System der Fallpauschalen und den Wettbewerbsdruck, in dem Krankenhäuser stehen, verantwortlich. Der Aufwand, chronisch kranke Kinder zu versorgen, sei oft höher als der Betrag, den die Fallpauschale für die Behandlung einbringe, was zu einer Unterversorgung dieser Kinder führe.

Interview mit Katja

Katja Manz, 35 Jahre, ist Geschäftsführerin des Jugendwerks in meiner Kirchengemeinde. Ich kenne sie nun seit etwa vier Jahren, habe aber erst durch ein Interview, das der SWR schon relativ zu Beginn der Corona-Pandemie mit ihr führte, mehr über ihren Beruf erfahren. Katja leitet die Kinderkrebsstation im Olgahospital in Stuttgart, Deutschlands größtem Kinderkrankenhaus. Sie arbeitet daher genau in dem Umfeld, das ich in den vorherigen Absätzen geschildert habe und engagiert sich außerdem auch noch stark in unserer Kirchengemeinde. Immer wieder habe ich mich gefragt, wie sie das schafft, wie es ihr dabei wohl geht und wie sie über ihr Berufsbild denkt. Daher habe ich mich letztes Jahr Ende November mal mit ihr über diese Themen unterhalten.

Katrin: Hallo Katja. Zu einer Uhrzeit, zu der ich mich normalerweise schon langsam in Richtung Bett bewege, kommst du gerade erst von einem langen und sicherlich anstrengenden Tag im Klinikum zurück. Vielen lieben Dank, dass du dich trotzdem noch zu diesem Interview bereit erklärt hast! Seit wann leitest du denn überhaupt die Kinderkrebsstation des Olgäle und wie kamst du zu diesem Beruf?

Katja: Die Leitung habe ich vor 5 Jahren übernommen, davor war ich drei Jahre stellvertretende Leiterin. Zu dem Beruf Kinderkrankenschwester kam ich aber über einige Umwege: Schon im Alter von sieben Jahren hatte ich immer davon gesprochen, dass ich später mal Hebamme werden möchte und konnte mir auch später nichts anderes vorstellen. Daher habe ich verschiedene Praktika gemacht und mich deutschlandweit auf einen Ausbildungsplatz beworben. Leider habe ich trotz meiner ehrgeizigen Bemühungen nirgendwo eine Zusage erhalten.

Der Druck, einen Ausbildungsplatz zu finden, war auch deshalb recht groß, weil ich schon ein Jahr vor dem Abi von der Schule gegangen war. Ich habe mich damals mit den Lehrern sehr schwergetan und wusste, um Hebamme zu werden, würde mir die Fachhochschulreife reichen. Das fanden meine Eltern allerdings nicht so gut. Daher habe ich mich noch während meines Missionseinsatzes in Thailand, den ich nach der Schule gemacht habe, auf einen Ausbildungsplatz als Kinderkrankenschwester in Stuttgart und in Tübingen beworben. Als sie in Tübingen davon erfuhren, dass ich zurzeit im Ausland bin, haben sie extra das Bewerbungsgespräch verschoben. Dort habe ich dann auch eine Zusage erhalten. Obwohl ich immer wieder dachte, dass ich doch eigentlich sehr gerne Hebamme geworden wäre und mich auch später nochmal darauf beworben hatte, muss ich im Nachhinein sagen, die Ausbildung zur Kinderkrankenschwester war der richtige Weg. Irgendwann wurde mir einfach klar, da wo ich bin, da bin ich genau richtig und da will Gott mich haben.

Katrin: Das ist echt ein spannender Weg und eine schöne Erkenntnis. Und nach der Ausbildung hast du dann in diesem Beruf gearbeitet und kamst so irgendwann auch zu deiner aktuellen Leitungsposition?

Katja: Genau. Nach der Ausbildung in Tübingen habe ich mich nur auf der „Onko“ [Abteilung für Tumorerkrankungen, Anm. d. Verf.] beworben. Es war echt ein Wunder, dass ich im Stuttgarter Olgäle genommen wurde, denn eigentlich war dort gar keine Stelle frei und zu der Zeit waren auch generell deutschlandweit alle Stellen als Kinderkrankenschwester besetzt.

Am Anfang habe ich mich im Olgäle allerdings gar nicht wohl gefühlt. Trotzdem hat mir meine Chefin schon früh die Rückmeldung gegeben, sie fände es gut, was ich alles organisiere, obwohl das nur solche Kleinigkeiten wie z.B. die Organisation einer Kaffeemaschine auf Station waren. Und schon nach dreieinhalb Jahren hat sie mich dann gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, mit in die Leitung einzusteigen. Das konnte ich mir damals eigentlich gar nicht vorstellen. Wie es sich dann trotzdem ergeben hat, weiß ich auch nicht mehr so genau… Vielleicht muss ich aber auch dazusagen, dass ich eine mega coole Chefin hatte. Ich wusste, dass sie weiß, wie alles läuft und mich da mithineinnehmen wird und ich nichts alleine managen muss.

Katrin: Das war sicherlich hilfreich, gerade wenn man so jung so eine große Verantwortung übernimmt. Eine Frage habe ich aber noch zu deinem Werdegang: Warum wolltest du denn unbedingt auf der Onkologie arbeiten? Das würde ich jetzt nicht unbedingt als den naheliegendsten Wunsch annehmen.

Katja: Dadurch, dass mein kleiner Bruder gestorben ist, als ich vier Jahre alt war, war das Thema Tod und Sterben für mich irgendwie schon immer präsent. Als ich während der Ausbildung auf der Onko war, hat es mich außerdem begeistert, dass man dort eine viel tiefere Beziehung zu den Eltern und Patienten hat als auf anderen Stationen. Auch im Team herrscht auf der Onko irgendwie eine ganz andere Atmosphäre und ein starker Zusammenhalt. Und dann kommt noch hinzu, dass ich etwas machen wollte, wo wirklich Hilfe gebraucht wird.

Superwoman?

Katrin: Ich muss ja ehrlich sagen, dass ich zwar wusste, dass du Kinderkrankenschwester bist, aber nicht, dass du eine ganze Station mit 45 Mitarbeitenden leitest. Und seit ich das weiß, frage ich mich umso mehr, wie du es einerseits schaffst, so einen Job zu machen, der ja schon viel von einem fordert und einen wahrscheinlich auch nach der Arbeit noch emotional und gedanklich beschäftigt, und andererseits nebenher auch noch Geschäftsführerin in unserem Jugendwerk sein kannst, wo auch viele, viele Stunden Ehrenamt dahinterstecken. Wie kann man das denn überhaupt alles in einer 7-Tage-Woche unterbringen, hast du da irgendwelche Geheimtipps?

Katja: Je älter ich werde und je schlechter ich kurze Nächte wegstecken kann, umso mehr merke ich, dass mir das auch nicht immer leichtfällt. Oft zweifle ich an mir und ich denke, ich sei nicht mehr so belastbar oder ich ärgere mich darüber, dass ich das alles nicht mehr ganz so gut auf die Reihe bekomme wie früher. Und ehrlich gesagt bin ich dann froh, wenn mir jemand widerspiegelt, dass es tatsächlich viel ist, was ich mache. Ich habe aber auch einen sehr hohen Anspruch an mich selbst, das alles schaffen zu wollen oder zu müssen.

Andererseits habe ich aber auch gemerkt, dass ich diese andere Art von Arbeit im Jugendwerk brauche. Die Arbeit auf der Kinderkrebsstation ist psychisch sehr belastend und bei manchem, was bei uns passiert, frage ich mich, wie man das nur verarbeiten können soll. Dadurch ist es für mich eine Bereicherung, wenn ich nach der Arbeit in der Klinik etwas anderes zu tun habe, wie z.B. zu einer Besprechung von der Gemeinde zu gehen. Dadurch komme ich auf andere Gedanken. Aber natürlich gibt es auch manche Abende, an denen ich einfach gerne nur Feierabend hätte.

Katrin: Das kann ich mir gut vorstellen, dass du dir bei dem Arbeitspensum auch ab und zu einen entspannten Feierabend wünschst. Und was bereitet dir bei deinem Beruf als Kinderkrankenschwester und Stationsleiterin Freude?

Katja: Extrem viel Freude macht mir die Patientenbetreuung und wenn man da gutes Feedback bekommt. Wir hatten jetzt in der Corona-Zeit zum Beispiel eine Patientin, die lange isoliert war, weil sie Fieber hatte als sie kam. Und da hat uns die Mutter die Rückmeldung gegeben, dass es für sie natürlich einerseits furchtbar war, keinen Besuch empfangen und nicht rausgehen zu dürfen, aber dass sie sich andererseits trotzdem wie zuhause gefühlt hat, weil bei uns so eine gute Atmosphäre herrschte. Wenn ich solche Rückmeldungen bekomme, weiß ich, warum mir meine Arbeit wichtig ist und warum ich sie gerne mache. Es ist mir wichtig, alles dafür zu tun, dass es für die Patienten und ihre Eltern trotz der schwierigen Situation so angenehm wie möglich ist und ich versuche, möglichst viel Zeit für sie zu haben.

Außerdem führe ich auch gerne Mitarbeitergespräche und mag es, die Mitarbeiter mit ihren Gaben und Fähigkeiten zu fördern. Und es gefällt mir, zu schauen, wie man sich als Team ergänzen kann und was man vielleicht auch selbst noch beisteuern kann, damit ein Mitarbeiter sich noch weiter entfalten kann und neue Seiten an sich entdeckt.

Katrin: Jetzt hast du das Stichwort „Zeit“ erwähnt – man hört ja aber immer wieder, dass Zeit gerade das ist, woran es eigentlich in unserem gesamten Gesundheitssystem mangelt. Wie schaffst du es da, dir Zeit zu nehmen für die Patienten und Eltern und neben dem Medizinischen auch noch auf die Atmosphäre zu achten?

Katja: Also es gibt tatsächlich Zeiten, da klappt das gar nicht gut. Das sind dann auch die Zeiten, in denen ich merke, dass ich schnell frustriert werde, gerade wenn dann vielleicht auch noch privat irgendetwas nicht ganz rund läuft. In solchen Zeiten frage ich mich schon auch mal, wie lange ich diese Rahmenbedingungen im Gesundheitssystem und in der Pflege überhaupt noch mittragen möchte und auch meine Kollegen melden mir dann zurück, dass sie nicht wüssten, wie lange sie noch in diesem Beruf bleiben.

Aber dann gibt es auch wieder bessere Zeiten. Auch in diesen haben wir natürlich keine ganze oder halbe Stunde Zeit, um bei den Familien zu bleiben, aber durchaus mal eine ruhige Nachtwache, in der ich auch mal 10 oder 15 Minuten einem Elternteil zuhören kann. Jetzt gerade haben wir zum Beispiel extrem viele Neudiagnosen und da kann ich dann schon mal einer Kollegin sagen, „ich bin kurz in dem Zimmer, der Mama geht es gerade nicht gut und ich würde mir gerne ein bisschen Zeit für sie nehmen – wenn was ist, dann hol‘ mich raus“. Diese zehn Minuten sind zwar nicht ewig, aber aus meiner Sicht qualitativ hochwertige Zeit, deshalb versuchen wir schon, das hinzubekommen.

Auch meine Kollegen wissen, dass es mir extrem wichtig ist, dass wir uns diese Flexibilität gegenseitig einräumen und man sich dabei unterstützt, dass solche Zeiten genommen werden können. Und ich habe auch viele Kollegen, die nach ihrer Übergabe an die nächste Schicht trotzdem nochmal in die Zimmer gehen, um sich kurz Zeit für die Familien zu nehmen. Das ist etwas, was sie nicht machen müssten, sie könnten genauso gut sagen, ich habe jetzt Feierabend, ich gehe heim. Aber dadurch, dass wir merken, dass es den Eltern und meistens auch unseren Patienten viel besser geht, wenn man sich die Zeit für sie nimmt, ist uns im Team das einfach wichtig.

Im Vergleich zu anderen Bereichen haben wir auf der Onko auch eine besondere Beziehung zu den Familien, denn bei uns sind sie ja nicht nur für eine Woche da, sondern über anderthalb, zwei Jahre hinweg immer wieder wochenweise. Das macht schon viel aus, da knüpft man ganz anders an als bei jemandem, der zum Beispiel nur kurz wegen eines gebrochenen Arms im Krankenhaus ist und den man nur oberflächlich kennt.

Katrin: Und was würdest du dir für deinen Beruf wünschen, wenn du die Möglichkeit hättest, Wünsche zu äußern?

Katja: Für das Berufsbild insgesamt würde ich mir eine bessere Lobby wünschen, weil ich manchmal das Gefühl habe, dass da teilweise ein Bild von einer Kaffee trinkenden und Zeitung lesenden Krankenschwester vorherrscht oder vielleicht auch, wie in manchen Cartoons, von einer Krankenschwester mit Häubchen und kurzem Kleidchen. Dadurch entsteht dann bei mir ein bisschen der Eindruck, dass unser Berufsbild in der Gesellschaft nicht ganz ernst genommen wird. Und sonst würde ich mir hauptsächlich wünschen, dass mehr junge Menschen mitbekommen, was für ein cooler Beruf das sein kann

Katrin: Gibt es denn einen Mangel an Kinderkrankenschwestern und -pflegern?

Katja: Ja, gerade bei den männlichen Pflegern herrscht ein sehr großer Mangel. Das könnte an der fehlenden Karrieremöglichkeit und der geringen Bezahlung liegen. Wenn man alleine ist oder der Zweitverdiener, dann ist unser Gehalt total in Ordnung. Aber es genügt nicht, um eine Familie davon zu ernähren. Und dabei wäre es echt hilfreich, wenn es mehr männliche Pflegekräfte gäbe. Gerade für unsere jugendlichen männlichen Patienten denke ich mir oft, es wäre so cool, wenn ihnen auch ein paar Männer beistehen könnten. Für die ist es doch echt blöd, wenn unsere jungen Krankenschwestern ihren Hodentumor untersuchen. Und auch für meine jungen Kolleginnen ist es vielleicht eine blöde Situation, da sie zum Teil auch nur fünf oder sechs Jahre älter sind als die Patienten.

Sondersituation Corona

Katrin: Hat sich durch Corona die Arbeitssituation für dich irgendwie verändert?

Katja: Die größte Veränderung an der Arbeitssituation sind eigentlich die ständigen Neuerungen. Die gab es zwar vorher auch schon, aber nicht in der Schnelligkeit und in dem Ausmaß. Außerdem sind eigentlich gar keine Besucher mehr erlaubt. Früher waren bei uns schon immer sehr viele Besucher teilweise von extrem früh morgens bis spät in die Nacht da, auch viele Geschwisterkinder. Vor Corona haben wir auch viel mehr davon mitbekommen, was in den Familien abläuft, wie die Familienmitglieder miteinander umgehen, welche Themen da aktuell sind. Das bekommen wir jetzt natürlich lange nicht mehr so mit. Die Beziehung zur Familie der Patienten ist dadurch eine andere als zuvor. Auf der anderen Seite haben wir aber eine noch engere Beziehung zu den Patienten, weil wir mit dem einen Elternteil, das da sein darf, ihre einzigen Ansprechpartner sind. Bei den Jugendlichen fällt das nicht so sehr auf, weil die auch viel über Skype oder Whatsapp kommunizieren, aber gerade bei den kleineren Kindern merkt man das schon. Eine Patientin kam vorgestern wieder ins Krankenhaus und meinte, sie freue sich so, wieder da zu sein, denn außer uns habe sie eigentlich keine Freunde mehr. Es ist schon heftig, dass sich ihr Leben im Prinzip nur bei uns abspielt, weil die Eltern natürlich extrem aufpassen, dass sie keine Kontakte hat. Deshalb hat sie zwar vielleicht mal einen Skype-Anruf, aber sie geht nicht in den Kindergarten, trifft keine Nachbarskinder mehr usw.

Katrin: Das klingt wirklich schlimm. Und das heißt, es darf nur ein Elternteil mit rein?

Katja: Ja. Am fünften Tag dürfen die Eltern dann tauschen. Nur bei Patienten, die im Sterben liegen und Kindern, die ganz neu die Diagnose bekommen, dürfen beide Eltern mit dabei sein. Das ist so eine Krisensituation, da ist es wichtig, dass möglichst beide Eltern dabei sind.

Die aktuelle Situation macht den Eltern das Leben also noch schwerer, als es sowieso schon für sie ist. Die Diagnose an sich ist ja schon heftig und dass es dem Kind nicht gut geht und dann muss ich ihnen auch noch sagen, dass ihr Ehepartner erst am fünften Tag kommen darf, um sie abzulösen. Wenn ich den Eltern das sagen muss, zerreißt es mir das Herz, obwohl ich mich nur an die Verordnung halte. Das macht es mir selbst schon auch echt schwer.

Sinnfrage

Katrin: Durch deinen Beruf kommst du ja auch zwangsläufig immer wieder mit dem Thema Tod und Sterben in Berührung. Begegnet dir da auch öfter die Frage nach dem Sinn des Lebens? Also von den Patienten, Eltern oder dass du dir auch selbst mehr Gedanken darüber machst?

Katja: Von den Eltern begegnet mir eher nicht die Frage nach dem Sinn des Lebens, sondern Fragen, die in die Richtung gehen von „wenn es einen Gott gibt, warum lässt er dann zu, dass meinem Kind so etwas zustößt?“ Und ich selbst frage mich schon auch öfter, was es für einen Sinn hat, wenn ein Kind so schlimm erkrankt und Eltern so sehr leiden.

Katrin: Und wie gehst du mit diesen Fragen um?

Katja: Also wir hatten im März oder April ein Kind da, das von der Oma begleitet wurde, weil die Mutter hochschwanger war. Und diese Oma war tiefgläubig und war durch ihre Art und ihren Umgang mit ihrem Enkel echt ein lebendiges Zeugnis auf unserer Station. Damit will ich natürlich auf keinen Fall sagen, dass dieses Kind krank war, damit die anderen auf der Station darüber Gott kennenlernen. Aber es hat gezeigt, eigentlich muss da Jemand sein, der dieser Oma Kraft schenkt, denn sonst würde sie an so einer Situation verzweifeln. Sowas finde ich schon beeindruckend.

Aber warum Gott die Krankheit und das Leid zulässt, kann ich den Eltern nicht beantworten. Manchmal ärgere ich mich dann auch, weil ich auf diese Frage keine Antwort kenne und nicht weiß, was ich darauf sagen soll oder einfach sprachlos bin. Und ich muss ehrlich sagen, ich frage es mich auch selbst nicht mehr, denn das werden wir wahrscheinlich nie oder erst in der Ewigkeit erfahren. Auch von den Eltern höre ich manchmal, dass man wahrscheinlich daran verzweifelt, wenn man an dieser Frage stehen bleibt. Aber das Coole ist, dass man darüber manchmal auch voll das gute und tiefgehende Gespräch mit den Eltern führt. Und es gab schon Situationen, in denen ich dann einfach mit am Bett stand und auch geweint habe, weil es so schlimm war. Aber ich hatte den Eindruck, das war dann fast wichtiger, als wenn ich eine perfekte Antwort präsentiert hätte.

Katrin: Was gibt dir denn gerade in solchen Situationen Halt und die Kraft und den Mut, weiterzumachen?

Katja: Das ist ganz klar meine Beziehung zu Jesus, die ist extrem wichtig für mich. Ich weiß gar nicht, wie andere das schaffen, die keine Beziehung zu Jesus haben und die nicht daran glauben, dass es einen Gott gibt, der alles in der Hand hält und auch über solche Situationen Herr ist. Da gibt es extrem viele Situationen, wo ich das brauche und wenn es nur ist, dass ich kurz auf Toilette gehe und in einem Stoßgebet sage, „Jesus, sag du mir jetzt, was ich machen soll oder wie ich jetzt mit den Eltern reden kann, weil ich selber keine Worte dafür finde“. Ohne Jesus würde das null gehen, wirklich. Und ich merke auch, dass die Tage, an denen ich nicht so viel bete oder wo ich in den Tag gestartet bin, ohne in die Stille zu gehen oder die Losungen zu lesen, echt nicht so toll laufen.

Katrin: Und wie würdest du deinen persönlichen Lebenssinn beschreiben?

Katja: Das ist eine schwierige Frage. Auf jeden Fall möchte ich mich von Gott gebrauchen und an den Stellen einsetzen lassen, an denen er mich haben möchte. Indem ich versuche, anderen Menschen so gut ich kann zu helfen und beizustehen, möchte ich die Liebe Jesu weitergeben. Und wenn ich an meine Grenzen stoße, möchte ich immer wieder neu lernen und darüber staunen, dass Gott Kraft und Lebensenergie schenkt.

Katrin: Hast du auch einen Tipp für Leute, die sich auf der Suche nach etwas befinden, was ihrem Leben einen Sinn gibt?

Katja: Ich glaube ich würde sagen, „bete einfach mal dafür und sage Jesus dein Anliegen, egal ob du daran glaubst oder nicht, denn verlieren kannst du nichts außer vielleicht zwei bis drei Minuten am Tag. Und dann schau einfach mal, was dabei rauskommt.“ – Es gibt ja so viele Menschen, die probieren tausend verschiedene Sachen aus, spirituelle Kurse, Yoga, Dankbarkeitsübungen usw., aber Beten versuchen sie nicht. Dankbar sein ist gut, aber dann bedanke dich doch am besten gleich persönlich bei Gott, dem Schöpfer, dafür, was an Gutem in deinem Leben passiert. Versuche, eine Beziehung zu Gott anzufangen und wenn nichts passiert (was ich aber nicht glaube), dann hast du auch nicht viel verloren.

Katrin: Danke für diesen Tipp und für das schöne und offene Gespräch. Ich wünsche dir alles, alles Gute und dass du weiterhin so ein Segen sein kannst für deine Patienten und Mitarbeiter!

Begrenzte Lebenszeit

Mitzubekommen, wie gerade junge Menschen an einer schweren Krankheit leiden oder sterben, macht mir immer wieder bewusst, wie wenig wir unsere tatsächliche Lebensdauer kennen. Ich denke, die meisten Menschen möchten am Ende ihres Lebens sagen können, dass ihr Leben erfüllt und sinnvoll war. Mir ist es daher wichtig, dass ich jeden Tag, der mir geschenkt wird, so gut wie möglich verbringe, ihn genieße, aber auch etwas bewirke und möglichst einen positiven Einfluss auf andere Menschen habe. Natürlich gelingt mir das aber bei weitem nicht an jedem Tag. Daher bin ich dankbar, dass Gott mir die Perspektive auf ein ewiges Leben ohne Krankheit, Leid und Kummer schenkt. Dadurch nimmt er mir den Druck, immer alles mitnehmen und voll auskosten zu MÜSSEN und ich muss mich wegen eines „verschenkten“ oder misslungenen Tages nicht verrückt machen. Außerdem nimmt diese Perspektive mir die Angst vor dem Tod und ersetzt sie durch Vorfreude auf das, was Gott uns in der Bibel versprochen hat.

Was würdest du vor deinem Tod gerne erlebt, erreicht oder getan haben? Hast du schon mal aus diesem Blickwinkel (also quasi vom Ende her) auf dein Leben geschaut? Und was denkst du, was nach dem Tod geschieht? Schreib es mir gerne in die Kommentare, das würde mich wirklich interessieren!

Liebe Grüße
Deine Katrin

1 Kommentar zu „Arbeiten im Krankenhaus“

  1. Danke für diesen Beitrag zum Beruf der Kinderkrankenschwester. Es stimmt, dass sich die Lage am Arbeitsmarkt inzwischen ein bisschen entspannt hat. Ich weiß das, da ich gerade in der Materie bin und mich nach Stellenangeboten umsehe.

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