Interview mit Udo
Vor ein paar Tagen hatte ich Udo zu Besuch, den ich aus meiner Kirchengemeinde kenne. Mein Mann und ich hatten schon lange vorgehabt, ihn mal zum Mittagessen einzuladen. Außerdem wusste ich von seiner Lebensgeschichte und dachte, dass jemand wie er mir und dir sicherlich auch bei unserer Suche nach dem Sinn des Lebens weiterhelfen könne. Während mein Mann fleißig in der Küche werkelte, haben Udo und ich ein für uns beide sehr bewegendes Interview geführt, an dem ich dich in diesem und dem nächsten Blogbeitrag teilhaben lassen möchte.
"Ein steiniger Weg kann auch ein segensreicher Weg sein"
Udo:
Ganz einfach: Wegen Jesus. Jesus macht mich glücklich! Ich lasse es zu, dass er mir jeden Tag neues Glück schenkt. Ich stehe ja morgens meistens so gegen halb sechs auf und habe mir angewöhnt, vor dem Aufstehen zu beten „Herr, öffne mir die Augen und zeig‘ mir, was ich heute für dich tun kann.“ Manchmal muss ich dann auch über meine eigene Frage lachen, weil das schon oft anstrengend sein kann, mit Jesu Augen zu schauen. Deshalb habe ich an mein Gebet dann auch schon mal den Zusatz „… aber wenn’s geht, lass‘ es bitte nicht so anstrengend sein wie beim letzten Mal!“ drangehängt. Aber da hat er mir dann schon gezeigt, dass man sich das nicht einfach raussuchen kann! [er lacht schallend] … Also nee, ich bin wirklich morgens immer schon glücklich. Das fällt auch vielen an der Tankstelle auf, wo ich arbeite. Manche macht das aber auch wütend, dass ich schon früh am Morgen so gut gelaunt bin. Aber ich sage immer, wenn du gleich morgens schon alle Leute anlächelst und es kommt wenigstens ein Lächeln zurück, selbst wenn es nur ein einziges ist, dann hast du schon gewonnen.
Udo:

Udo:
Ja, das kann ich. Gerade lebe ich wieder manche Passagen davon durch, die ich verdrängt hatte, ohne es zu wissen. Das ist ein Schutzmechanismus meines Gehirns, deshalb fällt mir einiges erst jetzt wieder ein. In meiner Kindheit ist nämlich vieles schief gelaufen und ich war immer alleine und konnte keinem davon erzählen. Mein Vater war als Kriegsinvalide frühverrentet worden und war, seit ich ihn kannte, gewaltbereiter Alkoholiker. Meine Mutter hat den ganzen Tag gearbeitet. Ich habe angefangen zu verstehen, nicht geliebt zu sein, als ich noch keine sechs Jahre alt war. Damals habe ich mich zum ersten Mal weniger wert gefühlt als eine Flasche Bier. Das lag daran, dass ich für meinen Vater wie üblich Bier vom Hotel um die Ecke holen sollte. In unserem Hausflur bin ich über die kaputten Mosaiksteine gestolpert und dabei ist mir eine der Bierflaschen kaputt gegangen. Alles war voller Scherben und ich habe sogar geblutet. Als ich zu meinem Vater in die Wohnung kam, hat er mich dafür so stark verprügelt, dass ich ins Krankenhaus musste. Ich dachte, dass ich das verdient habe und habe mich ab da dann immer schuldig gefühlt und gar nicht mehr hinterfragt, ob es gerecht ist oder nicht, dass er mich prügelt.
"Mit sieben Jahren habe ich aufgehört, Kind zu sein"
Udo:
Auch nach dieser Situation hat es mit der Prügelei nicht aufgehört. Meine Mutter wurde ebenfalls geschlagen und ich hatte häufig Angst um sie. Ich habe immer versucht, die Kontrolle über die Situation zu bewahren und habe meinem Vater, wenn er ein gefährliches Level erreicht hat, so lange weiter eingeschenkt, bis er schlafen gegangen ist. Bei Familienfeiern und immer, wenn mein Onkel in der Nähe war, bin ich abgehauen. Aber mit neun Jahren war es dann nochmal so, dass ich alleine mit meinem Vater und meinem Onkel zuhause war und wieder ist mein Onkel mich angegangen. Diesmal habe ich meinem Vater nichts gesagt. Ich habe ja gedacht, dass ich selbst schuld daran bin und wollte auch nicht schon wieder Schläge dafür kassieren. Das hat sich auch danach nie geändert, ich habe oft Schläge bekommen für nichts, aber ich habe das akzeptiert, weil ich mich von Grund auf schuldig gefühlt habe. Ich habe auch nie mehr geweint danach. Ich dachte immer, ich sei so böse und schlecht und habe mich gar nicht getraut, zu versuchen, Liebe zu bekommen. Das habe ich mir auch ein Stück weit selber verwehrt, weil ich so wertlos war in meinen Augen. Mein Vater hat zum Beispiel auch zweimal die Geschenke, die ich von anderen Verwandten zu Weihnachten bekommen hatte, an andere Kinder weiterverschenkt, weil er selbst gut dastehen wollte. Ich habe also gar keine Liebe gekannt und hatte das Gefühl, sowas gar nicht verdient zu haben.
"Definitiv kein Engelchen"
Udo:
Als Jugendlicher bin ich dann total ausgeflippt und habe nur Blödsinn gemacht. In der Zeit war ich definitiv kein Engelchen. Weil ich in den letzten zwei Schuljahren vor dem Abschluss kaum noch anwesend war, wurde ich ohne Notengebung entlassen. Aber irgendwann habe ich gemerkt, hoppla, du brauchst einen Schulabschluss und habe dann den Hauptschulabschluss nachgemacht. Ohne zu lernen habe ich gerade so bestanden. Trotzdem habe ich auch danach nie irgendwas geplant und hatte auch nie etwas, für das es sich gelohnt hätte, darauf hin zu arbeiten. Ich habe zwar in verschiedene Berufe reingeschnuppert, aber davon hat mir gar nichts Spaß gemacht.
"Kein Selbstvertrauen"
Udo:
Ich wurde dann Industriekaufmann, habe erst bei Mann Mobilia gearbeitet und später bei der Firma Dürr im Anlagenbau. Dort war ich für die Einführung des ERP-Systems SAP zuständig. Dazu brauchen die meisten Firmen ca. eineinhalb Jahre Zeit, bei uns sollte das aber in drei Monaten gehen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als in die Buchhaltung, Logistik und alle anderen Abteilungen zu gehen und mir alle Prozesse im Detail erklären zu lassen. So habe ich dann die ganze Firma verstehen gelernt und wurde SAP-Verantwortlicher für das ganze Unternehmen. Einige Zeit später wurde ich sogar zum globalen IT-Key User für SAP benannt und durfte Schulungen an den verschiedensten Standorten wie zum Beispiel Mexiko oder Südkorea halten. Überall musste ich Überzeugungsarbeit leisten und dafür sorgen, dass alle die gleichen Prozesse verwenden.
"In ein tiefes Loch gefallen"
Udo:
Udo:
Also habe ich mal wieder in der Kirchengemeinde vorbeigeschaut, die das Waldheim organisiert hatte. Ein Mann, mit dem ich früher gut befreundet gewesen war, hat sich so gefreut, mich zu sehen, dass er mich einfach nur in den Arm genommen hat. Ich bin dann in seinen Hauskreis gegangen, wo wir gemeinsam Bibel gelesen haben, und sonntags auch immer regelmäßiger in die Kirche. Bis ich dann an meinem Geburtstag einen richtigen Einbruch erlebt habe. Bis dahin hatte ich das aus meiner Kindheit eigentlich ganz gut verdrängt gehabt, nur an meinen Geburtstagen war es immer wieder hochgekommen. Aber jetzt, wo ich regelmäßig in der Kirchengemeinde war, an die ich auch noch Kindheitserinnerungen hatte, ließ es sich immer weniger verdrängen. Irgendwann mal ging es mir richtig schlecht. Als der Freund aus dem Hauskreis mich fragte, was los sei, habe ich ihm als erstem Menschen erzählt, was mir widerfahren ist.
"Richtige Glückseligkeit"
Udo:

Udo:
… Auch Udos neues Leben war leider nicht gerade einfach. Dennoch ist heute er derjenige, der andere Menschen tröstet, berät und ihnen auch hilft, einen Sinn in ihrem Leben zu sehen. Wie es dazu kam, kannst du im nächsten Blogbeitrag lesen.
Deine Katrin